1) Der Anfang

Als Pfungen mit seinen damals ungefähr 800 Einwohnern die imposante Einweihung der Wasserversorgung vom 15. Juli 1888 vorbereitete, beschloss der Gemeinderat, die Musikgesellschaft "Alpenrösli" Neftenbach als Festmusik zu engagieren. Unser Dorf besass wohl eine kleine Musik, die aber noch einige Bläser hätte beiziehen müssen. Der von einigen Militärtrompetern ins Leben gerufene Musikverein "Eintracht" löste sich als Folge der Gründung des Posaunenchores bald auf. Dieser, 1896 als Untersektion des einflussreichen "Christlichen Verein Junger Leute" entstandene Verein, am Anfang nur vier Mann stark, gewann rasch an Bedeutung. Dieser gute Start ist wohl der regelmässigen Präsenz in der Öffentlichkeit zu verdanken, spielten doch die Musikanten oft bei kirchlichen Anlässen auf. Nach wenigen Jahren bereits erwarb der junge Verein weitere Instrumente, darunter auch Holzblasinstrumente, und ging damit in eine Harmoniemusik über.

Leider sind in den ersten fein säuberlich geführten Protokollen keine Namen aufgezeichnet, womit die Gründer des Posaunenchores unbekannt bleiben. Immerhin war auszumachen, dass Heinrich Stucki, der spätere Friedensrichter und Kantonsrat, ein Gründungsmitglied und zugleich erster Dirigent des Posaunenchores war. 1909 wurde er zum Ehrenmitglied ernannt.

1906 nahm der Pfungener Verein auf Einladung des Stadtposaunenchores Winterthur am ersten Posaunenchortag teil und trat noch im selben Jahr dem Chorverband bei. An einem weiteren Chortreffen in Glattfelden ernteten unsere Musikanten mit der 1910 angeschafften grossen Trommel und der Konzerttrommel wenig Anerkennung. Ein Verzicht auf diese Instrumente kam jedoch nicht in Frage und so lag es nahe, ein Jahr später aus dem Verband auszutreten.

Obwohl eine Untersektion des C.V.J.M., wurde 1907 ein eigener Vorstand mit Paul Krebser, dem nachmaligen Gemeindepräsidenten, an der Spitze gewählt, und ein Jahr danach gab sich der Posaunenchor, immer noch als Untersektion des C.V.J.M., eigene Statuten. In dieser Zeit wurden Kirchenkonzerte in Pfungen und Umgebung veranstaltet und der Kameradschaft volle Aufmerksamkeit geschenkt. Es verwundert nicht, dass sich der Verein unter solchen Umständen gut entwickelte und es 1912 wagen konnte, als Festmusik an der Fahnenweihe des Turnvereines zu konzertieren.

Während den Jahren des ersten Weltkrieges 1914-1918 hatte der Posaunenchor, wie viele andere Vereine, hart zu leiden. Die gewohnte Tätigkeit musste wegen den vielen und langen Abwesenheiten im Aktivdienst stark eingeschränkt, und die öffentlichen Auftritte auf ein Minimum herabgesetzt werden. Ein ungebrochener Durchhaltewille gewährte dem Vereinsschiff den weiteren Bestand. Nach dieser schwierigen und bedrückenden Zeit pflegten die Musikanten wieder mit grossem Einsatz und mit Sorgfalt die Blasmusik.

2) Bewegte Jahre

1922 gab sich der Posaunenchor einen neuen Namen. "Musikverein Pfungen" wollte man fortan geheissen werden, und unter dieser Bezeichnung trat man bereits im selben Jahr als Konzertmusik des Kantonalen Schwingertages im Dorfe vor die Öffentlichkeit. Die Namensänderung entpuppte sich in der Folge als Beginn einer Reihe weiterer Veränderungen, welche das Selbstbewusstsein und Streben nach Eigenständigkeit des Vereines zum Ausdruck brachten. Eine Veränderung brachte den Verein gar an den Rand des Zusammenbruches. Doch der Reihe nach: Nach der Namensänderung von 1922 trennte sich der Musikverein auf den 1. Januar 1925 vom C.V.J.M. und erlangte damit die volle Eigenständigkeit. Mitte August des gleichen Jahres besuchten die Musikanten als Gäste den Musiktag des Zürcher Unterländer-Verbandes in Embrach, wo die Ouvertüre "Die Fahnenweihe" dargeboten wurde und dafür starker Applaus entgegengenommen werden durfte. Begeistert von diesem Freudentag drängten vor allem die jüngeren Kameraden zum Beitritt in diesen Verband und 1927 auch zum Kantonalen Musikverband.

Der Leser kann unschwer erahnen, dass vor allem die junge Generation im Verein auf Veränderung und Anpassung an die neue Zeit - man lebte nun in den goldigen Zwanzigern - drängte. Das erzeugte unweigerlich Reibungspunkte. Die Folge waren der unvermittelte Wechsel in der musikalischen Leitung des Vereines im September 1925 und der damit verbundene Austritt von zugleich 11 Bläsern. Noch 16 Aktive, das bedeutete eine ruinöse Schwächung. Gücklicherweise gewann der Verein nun in sehr kurzer Zeit fünf neue Mitglieder hinzu, so dass der massive Verlust etwas gemildert war. In dieser wenig erfreulichen Lage, in die der Verein hineingeraten war, besann man sich, der Not gehorchend, der früheren engen und erspriesslichen Kameradschaft. Fleiss und Streben konnten nun wieder voll und ganz der Pflege guter Blasmusik gewidmet werden.

Um auch die finanzielle Grundlage des Vereines besser abzusichern, wurde 1926 beschlossen, inskünftig Passivmitglieder aufzunehmen. Die Anwerbung verlief äusserst erfolgreich, denn nach abgeschlossener Aktion konnte man 50 Mitglieder dieser neuen Kategorie zählen.

3) Die erste Uniform

An den Musiktreffen des Zürcher Unterland-Verbandes, an denen sich unser Musikverein mit Erfolg beteiligte, waren je länger je mehr uniformierte Korps anzutreffen. Unsere Musikanten wollten auch in dieser Hinsicht nicht hintan stehen. Voller Tatendrang beschlossen sie am 30. Januar 1927, nach eingehenden Überlegungen und Diskussionen, eine Uniform anzuschaffen. Eine Haussammlung bei der Dorfbevölkerung, welchem dem Vorhaben offensichtlich gutgesinnt war, Geldzuwendungen einiger guter Freunde und Gönner sowie Beiträge der beiden ortsansässigen Industrien sicherten die Finanzierung der ins Auge gefassten Anschaffung. Von den verschiedenen Bewerbern erhielt die Firma Helbling & Co., Rapperswil, den Zuschlag als Lieferant. Die braunen Uniformen, von allen Seiten bewundert, wurden am Musiktag Pfungen vom 8. Mai 1927 eingeweiht. Der grosse und feierliche Akt fand nach einem Festumzug durch das Dorf im Baumgarten der "Kleinkinderschule" statt. Das Organisationskomitee unter dem Präsidium von Paul Krebser hatte tadellose Arbeit geleistet.

Erste Uniform 1927

Im gleichen, für den Verein reich befrachteten Jahr liess unsere "Musik" am internationalen Treffen in Lottstetten (Deutschland) ihre Leistung beurteilen und erzielte zur grossen Freude aller den zweiten Rang bei sechs teilnehmenden Vereinen. Schon ein Jahr später reichte es am Kantonalen Musiktag in Winterthur zu einem Lorbeerkranz erster Klasse. Nur dank grosser Hingabe, Ausdauer und Disziplin war es möglich geworden, diese Erfolge zu ernten, welche nun wiederum neuen Ansporn und moralische Stärkung bedeuteten.

4) Trotz Wirtschaftskrise ein glänzender Musiktag

Die Wirtschaftskrise der dreissiger Jahre legte sich lähmend auf unsere Region und hemmte das kulturelle Leben unserer Gemeinde. Viele Ortsansässige, welche in den Winterthurer Maschinenfabriken tätig waren, blieben längere Zeit ohne Arbeit und Verdienst. So ist es verständlich, dass auch der Musikverein einschneidend betroffen war. Er hatte manchen Austritt aktiver und passiver Mitglieder zu beklagen, die aus finanziellen Gründen den Verein verlassen mussten, und junge, hoffnungsvolle Bläser trennten sich vom Verein, weil sie anderswo, in grösserer Ferne, Beschäftigung suchten. Es kostete der Führung viel Mühe, Umsicht und mitmenschliches Verständnis, den Verein zusammenzuhalten.

Doch trotz alledem, mit Freuden übernahmen unsere Musikanten den 13. Musiktag des Unterland-Verbandes vom 16. Juni 1935, der wiederum unter der Leitung des Organisationskomitees von Paul Krebser, Gemeindepräsident, zu einem wahren Erfolg werden durfte. Zwar schien sich zuerst das traditionelle Festwetter Pfungens nicht einstellen zu wollen, hatte es in der Nacht zuvor doch noch geregnet. Um halb sechs Uhr früh knallten dennoch die ersten Startschüsse vom Multberg über unser Dorf, und schon eine halbe Stunde später wurde beim "Frohsinn" beginnend, Tagwache durch das festlich geschmückte Dorf geblasen. Am frühen Nachmittag nach ein Uhr bildete sich ein bunter Festzug aller beteiligter Formationen zum Festplatz, wo sich nun bei gutem Wetter in bunter Reihenfolge ein reiches Blasmusikprogramm abwickelte, dem sich ein ebenso abwechslungsreiche Abendunterhaltung anschloss. Als Dank für die trefflichen und selbstlosen Dienste wurde der Festpräsident Paul Krebser zum Ehrenmitglied des Musikvereines Pfungen erkoren.

5) Mit zwei unvergesslichen Dirigenten zu grossen Ehren

Wie immer und überall im Leben sind Freud und Leid nahe beisammen. Kaum war die Festfreude über den Musiktag verklungen, musste der Verein im August 1935 unter den Klängen eines Trauermarsches von seinem hochverdienten und beliebten Dirigenten August Süsstrunk Abschied nehmen und ihn zur letzten Ruhestätte begleiten. Er war dem Verein in der schwierigen Zeit um 1925 zu Diensten gestanden, hatte ihn anschliessend zu manchem musikalischen Erfolg geführt und ihm insgesamt 18 Jahre treu und aufopfernd gedient. Aus tiefer Dankbarkeit verlieh ihm der Verein 1930 die Ehrenmitgliedschaft.

An seine Stelle berief der Verein den bisherigen Dirigent-Stellvertreter und Militärtrompeter Eugen Vollenweider, der anschliessend während 22 Jahren den Dirigentenstab schwang. Mit Feingefühl und Hingabe führte dieser kleingewachsene und unscheinbare Mann den Verein zu manchem Erfolg. So sei z.B. das Kantonale Musikfest in Oerlikon von 1937 mit der Note "vorzüglich" in der Konzertdarbietung und dem ersten Rang in der Marschmusik-Konkurrenz erwähnt, das Eidgenössische Musikfest in St. Gallen von 1948 mit dem Goldlorbeerkranz oder das Eidgenössischen Musikfest in Zürich von 1957 mit dem Silberlorbeerkranz. Letzterer Anlass durfte für den immer einfach und bescheiden gebliebenen Dirigenten ein schöner Abschluss bilden, trat er doch im gleichen Jahr von seiner verantwortungsvollen Aufgabe zurück. Sein vielseitiges und unermüdliches Schaffen für den Musikverein wurde mit der Ernennung zum Ehrendirigenten gewürdigt. Seit Eugen Vollenweider hat niemand mehr so lange den Taktstock geführt.